Dressur im Kreuzfeuer
Die Dressur-Welt steht Kopf. Die gestürzte Piaffen- Königin Anky van Grunsven, die mittelmäßigen Deutschen und der große Ärger über die Wertungsrichter prägten die ungewohnt turbulenten Wettbewerbe beim CHIO. Von all dem unbeeindruckt feierte überraschend der Schwede Jan Brink mit Briar den Sieg im Großen Dressur-Preis von Aachen, den er als erster Mann seit 1984 gewann.
"Es ist wundervoll, hier zu gewinnen", sagte der EM-Vierte. "Ich weiß nicht, was los war", sagte van Grunsven. Er gewann mit 232,475 Prozentpunkten, Ankys Salinero galoppierte, als er traben sollte, und piaffierte, als er anhalten sollte. "Ich habe das noch nie erlebt", meinte die erfolgreichste Dressurreiterin der vergangenen Jahre.
Enttäuschend war auch das Abschneiden der deutschen Dressurreiter. "Das war sicher nicht das, was wir uns erwartet hatten", kommentierte Bundestrainer Holger Schmezer. Nur mit einzelnen Ritten konnte er zufrieden sein, doch in der Summe überwog der schwache Eindruck.
Den schwächsten Eindruck hinterließen in Aachen jedoch nicht die Reiter, sondern die Richter: "Einige Urteile waren skandalös", formulierte Schmezer deutlich. Bei van Grunsven lag im Spezial die Differenz zwischen zwei Richtern bei 8,4 Prozentpunkten, beim siegreichen Brink sogar bei 9,2. Solche Unterschiede sind Dressur-Welten.
"Das war ein bisschen extrem", sagt die Ausschuss-Vorsitzende Mariette Whitages, die Vorsitzende des internationalen Dressur-Ausschusses. Eine am Samstagabend eilig einberufene Krisensitzung brachte indes wenig, denn auch in der abschließenden Kür gab es drastische Differenzen.
Nicht nur die dpa widmet sich ausführlich wie oben dem Thema der Wertungsrichter, sondern auch die FAZ hat sich wieder mit der Dressurreiterei befasst:
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Cat Besitzerin
FAZ Artikel
27. August 2005 Rings um das Dressurviereck beim CHIO in Aachen gibt es neben der deutschen Niederlage nur ein Thema: Die auch von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angestoßene Diskussion über die Trainingsmethode des „tiefen Einstellens”. Diese wird vom niederländischen Nationaltrainer Sjef Janssen als neues Erfolgsmodell propagiert, von den Verfechtern der „Richtlinien”, des international anerkannten Leitfadens für die Pferdeausbildung, als „Irrweg” und von scharfen Kritikern sogar als Quälerei bezeichnet. Holger Schmezer, der 58 Jahre alte Bundestrainer, rechnet sich eher den Fundamentalisten zu und ist „grundsätzlich dagegen”.
Seit den Europameisterschaften gibt es in der Öffentlichkeit eine kritische Diskussion über Trainingsmethoden im Dressurreiten. Stört Sie das?
Wenn Probleme da sind, muß man froh sein, daß darüber diskutiert wird.
Es gibt also auch Ihrer Ansicht nach Probleme.
Vor allem gegen Anky van Grunsven werden Vorwürfe laut
Ja, die sind uns bewußt. Allerdings wurden jüngst in den Medien Methoden beschrieben, die ich verabscheue und die mir total fremd sind wie etwa Elektroschocks oder Marterinstrumente, darüber braucht man nicht zu diskutieren.
Hauptsächlich reden sich die Leute hier in Aachen allerdings über das „Aufrollen” des Pferdehalses im Training die Köpfe heiß. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Es gibt unterschiedliche Reitweisen, und nicht alle entsprechen in jeder Hinsicht den klassischen Richtlinien. Die Richtlinien aber sind die Grundlage meiner Arbeit und der vielen deutschen Erfolge, sie sind das Produkt langer Erfahrung. Im vorübergehenden tiefen Einstellen sehe ich aber noch kein Problem. Das ist nicht einmal eine neue Methode.
Die Kritik richtet sich allerdings gegen das dauerhafte Aufrollen der Pferdehälse, wie man es bis vor kurzem auf dem Abreiteplatz besonders bei niederländischen Spitzenreitern beobachten konnte - eine Einstellung, die auch bildhaft als „In-die-Brust-Beißen” bezeichnet wird...
Wenn speziell die niederländischen Spitzenreiter angesprochen werden, besonders Anky van Grunsven, so habe ich nicht den Eindruck, daß ihre Pferde gequält werden. Sie sind als junge Pferde schon in diese Form gebracht worden. Dadurch ist die ganze Muskulatur auf diesen Reitstil eingestellt. Wenn man das nun von heute auf morgen mit einem anders ausgebildeten Pferd machen wollte, dann wäre das Tierquälerei. Und es würde auch nicht funktionieren.
Soll das heißen, Sie finden diese Trainingsmethode in Ordnung?
Grundsätzlich bin ich dagegen. Es wäre mir aber ganz recht, wenn die Holländer weiter so reiten. Ich sehe bei ihren Auftritten im Viereck Zusammenhänge, die sich negativ auf die Leistung auswirken. Da ist der wenig schwingende Rücken, das nicht herangeschlossene Hinterbein, wenig Versammlung. Zudem sind nur bestimmte Pferde brauchbar, die in der Lage sind, praktisch aus dem Nichts eine Piaffe hinzulegen, die durch seriöses Heranführen an die Piaffe so gar nicht entstehen könnte. Wie viele dabei nie den Spitzensport erreichen, weiß ich nicht. Wie weit es Tierquälerei ist, möchte ich nicht beurteilen. Das muß wissenschaftlich untersucht werden, wie das ja nun in die Wege geleitet wurde.
Muß man sich dann nicht fragen, wie es kommen kann, daß Anky van Grunsven mit einer Methode, die so viele Schwächen in der Ausbildung erzeugt, trotzdem zweifache Olympiasiegerin wurde?
Ja, das muß man sich fragen. Da ist die Richterschaft gefragt, die zu 99 Prozent entscheidet, was sie gerne sehen will. Und wenn die Richter Dinge außer acht lassen, die den Richtlinien widersprechen, wenn sie nicht beachten, daß bei jeder Lektion die Skala der Ausbildung berücksichtigt werden muß, dann muß man fragen: Wie weit sind die Richter heute eigentlich noch geschult? Heute richten die meisten vor sich hin und pflegen ihre eigene Meinung. Darin liegt für mich das Problem. Warum kriegt ein Pferd eine hohe Note trotz deutlicher Spannung, wenn es keinen durchlässigen Eindruck macht und am Anfang und am Ende gar nicht mehr Halt macht?
Kann man daraus schließen, daß Sie Anky van Grunsven mit ihren Pferden weniger Punkte geben würden als die zuständigen Richter?
Grundsätzlich, wenn ich alle Kriterien zugrunde lege, die ich für wichtig halte, sind mir ihre Noten tatsächlich zu hoch. Ich sage nicht nur: Mann, wie der die Beine hochreißt.
Die „Durchlässigkeit”, die aus der Fachsprache wohl am ehesten mit dem „spontanen Reagieren auf feine Hilfen” zu übersetzen wäre, wurde früher im Grand Prix vor allem anhand der „Schaukel” mit dem Hauptelement des Rückwärtsrichtens überprüft. Warum wurde gerade diese Lektion abgeschafft?
Aufgrund des Einflusses ausländischer Repräsentanten. Die Schaukel wurde ersetzt durch noch mehr Betonung auf spektakuläre Lektionen wie Piaffe und Passage.
Spielt da auch der niederländische Nationaltrainer Sjef Janssen als Mitglied des internationalen Dressur-Ausschusses und Vorsitzender des Trainerklubs eine Rolle?
Ja. Das wurde eindeutig von holländischer Seite so betrieben.
Wenn Sie sagen, die niederländischen Pferde würden durch das tiefe Einstellen nicht gequält, weil die Reiter es richtig machen - droht dann aber nicht die große Gefahr wenig pferdegerechter Nachahmung?
Die Nachahmung ist das wirklich Schlimme an der Geschichte. So eine Anky kann mit dem, was sie macht, auch umgehen. Aber andere haben vielleicht schon das komplette Outfit von Anky und denken, ihre Pferde müssen so gehen, wie sie es vielleicht momentweise bei Anky sehen.
Allerdings berichten viele Beobachter sehr kritisch von ziemlich extremen Trainingsbildern im Rahmen der Olympischen Spiele in Athen.
Ja. Da haben wir Bilder gesehen, wie Pferdenüstern wirklich über einen längeren Zeitraum tief auf die Brust gezogen waren, und da dreht sich einem der Magen um.
Welche Pferde waren das? Holländische?
Nein. Nicht nur. Solche Bilder sah man allerdings zuletzt nicht mehr.
Der niederländische Dressur-Promoter Joep Bartels behauptet etwas spöttisch, die Reiter seines Landes hätten sich eben weiterentwickelt, während die Deutschen stehengeblieben seien. Was sagen Sie dazu?
Wir entwickeln uns ständig weiter. Auch, indem wir uns auf Altes zurückbesinnen. Auch Irrwege haben in der Geschichte schon zu Verbesserungen geführt. Doch der kurzfristige Erfolg kann nicht unser Ziel sein.
Das Herabziehen der Pferdenüstern auf die Brust wird auch als das Herbeiführen totaler Unterordnung kritisiert. Wie sehen Sie das?
Die Unterordnung sehe ich nicht, so, wie sich die Pferde auf dem Abreiteplatz verhalten. Wenn sie sich entziehen wollen, tun sie das auch. Sie sind nicht untergeordnet, sondern angespannt. Das wird sogar ausgenutzt, um noch exaltiertere Tritte zu provozieren und Effekthascherei zu erreichen.
Es gibt ja nicht nur Kritik an holländischen, sondern auch an den Abreitegewohnheiten deutscher Reiter. Von Beobachtern, die sich auch schon schriftlich an diese Zeitung gewandt haben, werden immer wieder die Namen Isabell Werth und Martin Schaudt genannt. Können Sie deren Auftritte, die ja auch schon Ermahnungen nach sich gezogen haben, verantworten?
Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Pferd vorübergehend einmal bestraft und zur Räson gerufen werden muß. Wer kann einem erfahrenen Reiter belegen, daß er etwas falsch macht? Reitet er wirklich zu lange ab? Ich finde es deswegen gut, daß sich eine Arbeitsgruppe mit Wissenschaftlern nun einmal ernsthaft mit solchen Fragen befaßt.
Von Isabell Werth heißt es, sie habe ihr hochempfindliches Pferd Satchmo zu stark unter Druck gesetzt und sei deshalb in eine Sackgasse geraten. Können Sie das nachvollziehen?
Satchmo ist schon von seiner Abstammung her ein schwieriges Pferd. Da liegen Genialität und Aufstecken dicht beieinander. Der Grund muß keine bewußte Überforderung sein, ihre Maßnahmen können auch einmal im Grenzbereich liegen. Gerade ist es noch gut, dann kippt es von einem Moment auf den anderen um. Wenn jemand aus Ehrgeiz übertriebene Härte ausübt, schreite ich dagegen ein. Doch im Grunde habe ich wenig in der Hand, einem erfahrenen Reiter Grenzübertretungen zu belegen. Gelegentlich regelt es sich auch von selbst in der Prüfung.
Und was sagen Sie zu den Vorwürfen des allzu harten Vorbereitens von Weltall durch Martin Schaudt?
Auch Weltall ist ein extrem schwieriges Pferd. Er bewegt sich an der Grenze zwischen Genie und Revoluzzer. Jemand anderes hätte ihn vielleicht gar nicht angepackt. Da kommt man nur mit sehr viel Aufwand weiter, und Martin Schaudt beschäftigt sich sehr intensiv mit ihm. Wenn man den richtigen Weg findet, klappt es. Beide Reiter, von denen wir jetzt sprechen, haben ja bereits mehrere Pferde in den großen Sport gebracht, und sie haben alle lang gehalten.
Dennoch muß man wohl festhalten, daß es in dieser Hinsicht eine große Kluft gibt zwischen Spitze und Basis.
Wenn Leute sich aufregen über das, was sie an den Abreiteplätzen sehen, kommen wir wieder auf die Richter zurück. Ich kann doch keinen Weltrekord-Reiter zu Hause lassen, wenn die Richter ihn gut finden. Meine Aufgabe ist es, die zu suchen, die von den Richtern Punkte kriegen.
Müssen Sie also dem Erfolg grundsätzliche Erwägungen opfern?
Nein. Aber Spitzensport ist Individualsport, und keiner ist gleich. Mir liegt es auch eher, etwa mit Hubertus Schmidt zusammenzuarbeiten, weil ich es selbst so machen würde wie er. Ich kann aber nicht behaupten, daß nur meine Vorstellungen die richtigen sind.
Quelle: FAZ online
stutzi
mich wundert,
dass es scheinbar niemanden in österreich kratzt, was da alles aufkommt und diskutiert wird. Schließlich ist die Dressur für das Pferd da und nicht für den Menschen und schon gar nicht ist das Pferd für die Dressur da.
Dass mit dieser "Rollkur" auch in Aaachen prozentuell verwertbare Ergebnisse gebracht werden konnte, war ja wieder mal zu sehen. Dass wir es aber hier mit einem vollkommen unterschiedlichen Aufbau der Muskulatur zu tun haben, fällt scheinbar durch den Rost. Denn die klassische Ausbildung fördert die Tragkraft der Hinterhand, die Rollkur zielt auf ein Abbremsen der Schubkraft.
Dass dann ein Salinero ohne plötzliche Spannung nicht stehen kann, erklärt sich da wohl von selbst. Und da braucht keiner kommen und sagen, der ist so schwierig, der kann das nicht. Stillstand ist nun mal zu bewerten und gehört dazu wie die zu Hauf ausgeführte Piaffe und Passage. Und wieso kann
ein Briar vollkommen gelassen stehen bleiben?
leseratte
Also so ist es auch wieder nicht,
denn Salinero hat eigentlich zum ersten mal "versagt" und in Athen ist er ja auch spitze gegangen und hat sich in Passage und Piaff sehr verbessert im letzten Jahr! Bei jedem Pferd und Reiter kann mal ein Bewerb in die Hosen gehen! Oder ist euch noch nie passiert, dass das Pferd unter euch nicht auf eure hilfen reagiert! Weltall ist ein tolles Pferd war aber auch nicht Fehlerfrei! Einen Schritt hat er auch nicht gezeigt! Ob das Verhalten von Salinero auf die "Rollkur" zurück zuführen ist kann man schwer beurteilen, da er dieses Verhalten zu ersten mal gezeigt hat!!!!! So toll waren die Ergebnisse der Deutschen auch wieder nicht in der Großen Tour, es sind eben nicht die Spitzenreiter mit geritten, denn Werth, Salzgeber und co. haben halt zur zeit keine geeigneten Pferde und Kemmer fiel leider aus!
Was diese "Rollkur" jedoch was bringen soll weiß ich nicht! Bin gespannt wies in diesem Fall weiter geht!
izzibizzi
"Notwehr" ?
Vielleicht fängt sich Salinero nun langsam zu wehren an. Dieses Piaffen und Passagen, die sind schon wahnsinnig beeindruckend, allerdings die Gerüchte, die es um die Methoden gibt, wie die Pferde derartiges Gangwerk entwickeln nicht so berauschend. Und irgendwann fängt das gutmütigste Pferd an, sich dagegen aufzulehnen. Sicher gibt es auch Pferde, die einfach mal ausklinken und nicht mitspielen oder einfach sehr guckig sind oder sonst eine nicht vom Menschen verschuldete Macke haben, aber das war bei Salinero ja bisher nicht der Fall.
Was mich auch sehr interessieren würde, was bekommt eine van Grunsven und ein Schaudt bei solchen Prüfungen für Noten auf Durchlässigkeit zB ? Kein Schritt von Weltall ... das muss sich doch eklatant niederschlagen.
reiten
was ist los mit Egalite u. Nina?
Nach der EM in Hickstead wurde mit Egalite "anders trainiert" (?) zu unserer Freude zeigte er nervenstärke und gelassenheit nicht nur in Athen. er hat Nina trotz Bandscheibenvorfall durch das viereck getragen! Soviel ich weiß, war er längere Zeit bei Fr. Baumgärner im bayrischen in einem Zentrum, dort wurde an seiner Psyche und Durchlässigkeit gearbeitet, was ja super geklappt hat! liegt es doch an einem Vernünftigen Training? sollten wir nicht nachfragen was diese Frau mit ihm gemacht hat? wer weiß was? sie hat ja schon mehrere Pferde im Internationalen Sport begleitet? wer kennt ihre adresse? und warum ist Nina nicht mehr bei ihr? Es wäre doch sicher interesant was diese Frau zu der laufenden diskussion über einrollen u.s.w. sagt?
stutzi
auf horse-gate gefunden:
ich denke, das bringt es auf den punkt:
"Eine etwas andere Sichtweise:
Undogmatische Gedanken zum scheinbaren Widerspruch zwischen der aktuellen internationalen Reitweise und ihrer Methoden und der klassischen richtlinienorientierten Ausbildung von Pferden.
Die internationale Reitsportszene scheint in allen Funktionen gespalten zu sein. Betroffen sind die Reiter, Trainer, Richter, Funktionäre und, ganz wesentlich, das Publikum.
Offensichtlich tief frustriert vom chronischen Erfolg einer Seite, begann man auf breiter Front zu überlegen, wie diese Situation dauerhaft zu ändern sei. Mit besserem Reiten und besseren Pferden konnte man zwar den einen oder anderen Erfolg erreichen. Wirklich in Frage stellen konnte man die Überlegenheit der anderen Seite aber nicht.
Da eine verbesserte Prüfungsleistung nicht reichte, dieser Input alleine nicht genügend brachte, bewirkte man eine Änderung der Regeln (z. B. Abschaffung der Schaukel, Aufwertung von Piaffe und Passage) und erzeugte in den zuständigen Gremien die Entscheidungen, von denen man im Viereck zu profitieren hoffte. Dass dabei die Richter nicht außen vorbleiben konnten, ist klar. Über die Art und Weise, die Richter dazu zu bewegen, nunmehr Darbietungen nicht nur zu akzeptieren, die man zuvor wenigstens kritisiert hätte, sondern sogar gut zu finden und unter Aufgabe der richterlichen Unbefangenheit („Danke, Anky!") direkt zur Akklamation überzugehen, kann nur spekuliert werden.
Wer nun die nationale Brille aufsetzt, irrt. Es geht eben nicht um Nation A gegen Nation B. Der nationale Zusammenhang ist Schnee von gestern. Die Globalisierung hat den Reitsport endgültig erreicht und begonnen, ihn grundlegend zu verändern. Der Streit um die Reitweisen ist nur vordergründig und für die Galerie von Interesse, für die er wohl auch inszeniert wird.
In Wirklichkeit geht es um die Konkurrenz verschiedener Geschäftsmodelle, um die Vormachtstellung in den Märkten. Wenn mein Produkt dauernd nur zweiter Sieger ist, bekommt es schnell das Image der Zweitklassigkeit. Aber welcher Kunde kauft bewusst und freiwillig fraglich mindere Ware? Eben, keiner, jedenfalls solange nicht, als eine Alternative besteht.
Das zweite Geschäftsmodell musste also die so genannte USP (unique selling propostion = einzigartiges Verkaufsversprechen) für sich besetzen, was nur über den internationalen Erfolg und die Beeinflussung der Gremien gelingen konnte. Dabei hat es einen wichtigen Vorteil für die meisten Kunden. Es geht ja nicht um die gymnastizierende Ausbildung und Entwicklung der Möglichkeiten des Pferdes, die zugegebenermaßen nicht einfach zu verstehen sind und in der Praxis viel verlangen, also entsprechend unattraktiv sind und von vielen deswegen nur als Lippenbekenntnis benutzt werden. Die mechanistische Abrichterei als Reitmodell ist viel attraktiver. Das kann der letzte Tölpel, der im richtigen Reiten bisher nur dilettierte. Im Zweifel kann er sich entsprechende Apparate kaufen. Insoweit bin ich gespannt, wann ein Cleverle mit einer aktualisierten Variante des Spanischen Reiters nebst zugehörigem Theoriekonvulut auf den Markt kommt und richtig Kohle macht.
Die führende Nation ist in den Gremien nicht in dem Maße repräsentiert, wie es ihrer tatsächlichen Bedeutung entspricht. Kein Wunder: Internationale Verbände werden durch die angeschlossenen Nationen konstituiert und sind eine Proporz- und Kompromissveranstaltung. Kompetenz und Können sind im Zweifel eher hinderlich, besonders dann, wenn nicht alle daran teilhaben.
Was lag also näher, als auf diesem Weg die Vorherrschaft zurückzudrängen, und dem zweiten Geschäftsmodell nach vorne zu verhelfen? Nichts!
Wenn sich die Wogen nach Aachen geglättet haben werden, wird man zum Tagesgeschäft übergehen und ermitteln, wo man im Markt steht und wie hoch die eigenen Anteile sind.
Die romantische Debatte über die Reitweisen und darüber, ob das eventuell Tierquälerei sein könnte, wird verstummen. Wieder wird ein Tabu beseitigt sein. Von nun an ist alles richtig und vertretbar, was schön aussieht, in wessen Augen auch immer, erfolgreich ist und vor allen Dingen Umsatz bringt. Ab sofort kann sich jeder, wie schon an der Basis, seine eigene Reitlehre zimmern. Je erfolgreicher er ist, umso unangreifbarer wird er sein.
Auf der Strecke bleiben die Pferde und die Menschen, denen es tatsächlich um reiterliche Grundsätze und um das Wohl der Pferde geht. Diese Horsepeople werden in den so genannten Expertenkreisen längst als mentales Auslaufmodell verspottet und lediglich im Zusammenhang mit Festveranstaltungen und Laudationes benötigt, wenn überhaupt.
Es bleibt jedem selbst überlassen, wie er sich dazu stellen will. Für den Sportsektor befürchte ich, dass sich die meisten zulasten der Pferde für den zweiten Weg entschieden haben."
sisther
Rollkur
Diese ganze Debatte gerät langsam aus den Fugen. Vorallem das pure Beschuldigen der Holländer ist einfach total einseitig. Jeder der selbst schon mal auf einem großen Tunier war, kann sich auf den Abreiteplätzen selbst ein Bild machen wie es da zugeht. Wenn man mal Frau Kemmer, Frau Salzgeber, Werth etc genauer auf die Finger schaut, dann wird einem da genauso schwindelig,da wird gezerrt, gedroschen und verenkt.... aber Hauptsache es sind immer NUR die Holländer. Ein bißchen mehr Objektivität würde vorallem der deutschen Presse gut tun! Ach ja. Jetzt ist einmal Salinero "ausgezuckt", aber was ist mit den häufigen Aussetzern von Weltall, Satchmo, Elvis und Co? Die sind nur eine kurze Nebenbei-erwähnung wert.. Eigenartig.
schlampi
auf die gefahr hin, dass ich dumm da stehe muss ich dennoch fragen: wieso beschränkt sich diese debatte auf die dressurreiterei? im springsport beissen sich auch einige pferde am abreitplatz gehörig in die brust, bevor sie den parcour betreten.
amyhexe
wie wahr, wie wahr, frau schlampi. und das wird dann auch noch von so manchem "trainer" mit "..jetzt geht er/sie schön durchs genick..." kommentiert. es ist erschreckend, wie wenig ahnung viele reiter von der reiterei haben!
aber gut, wenn´s sogar frl. anky so praktiziert - vielleicht sind die unsrigen in wirklichkeit keine stümper, sondern eigentlich immer schon ihrer zeit voraus gewesen :-))
hgh
... zum Artikel "horse-gate"
Seit Jahrzehnten wird immer wieder versucht das Rad neu zu erfinden und wenn es "nur" dem Kommerz dient, dann ist der Zweck bereits erfüllt.
Nur schade, dass die Pferde sich ihr Umfeld nicht selbst wählen können, dann würde wahrscheinlich vieles anders aussehen.
Man braucht kein Fachmann zu sein um einmal mehr
festzustellen wie treffend der Artikel generell die Problematik des modernen Professional-Sports im Zusammenhang mit dem Ziel Kommerz um jeden Preis schildert.
Selbstverständlich hat jeder die Wahl, ausser dem Pferd, nur eben entweder man ist Tei des Systems oder man bleibt ausgeschlossen vom System.
"Wer sägt schon gerne an dem Ast wo er sitzt und wenn, dann sicher nicht am Stamm"?
Solange es um Geld geht, sogar um viel Geld, wird sich nichts ändern. Die Opfer sind längst bekannt und werden es auch in Zukunft bleiben!
kiwi71
Warum nur die Deutschen und die Holländer?
Sicher, die machens vor und wir machens nach. Was auf internationalen Turnieren am Abreitplatz geschieht, dient doch unseren "mittelmäßig" begabten Reitern und vor allem Trainern als großes Vorbild. Deshalb kann man auf österreichischen Abreitplätzen von den kleinsten bis zu den größten Klassen noch viel schlimmeres beobachten, nämlich diletantisch durchgeführte Nachahmungen. Es ist auch bei uns kein Richter da, der (die) einschreiten würde. Je bekannter der Reiter umso größer die Narrenfreiheit am Turnier. Das gilt auch für unsere Nation.
Einmal hart durchzugreifen bei Ungehorsam gehört dazu. Das ist halt so im Spitzensport. Ohne Druck gibts keine Spitzenleistungen. Und Spitzenleistungen zu erbringen wird immer schwieriger weil die Meßlatte immer höher gesteckt wird. Man kann die Uhren auch nicht zurückdrehen und einen Gang nach unten schalten. Mittlerweile muß auch bei Spitzenpferden mehr Druck angewendet werden um noch bessere Leistungen zu erzielen. Man kann sich also vorstellen wieviel Druck bei manchen Pferden nötig ist die für unsere Nation an den Start gehen um nur annähernd mitreiten zu können.
Ich denke man wird diesen Kreislauf nicht mehr stoppen können. Da müßte sich die Einstellung der Richter, Reiter, Trainer usw. grundlegend ändern und das wird nicht passieren. Ein Kampf gegen Windmühlen.
hgh
An kiwi71
Sehr treffend formuliert. Dem kann ich zustimmen.
Und wer gegen die Windmühlen kämpft wird rückwärts in's Wasser getrieben.
dressurreiterin08
zu Aachen muss man noch sagen...
...dass dieses Stadion eines der schwierigsten überhaupt für die Reiter ist, da man als Reiter im Viereck jedes Geräusch von den Tribünen her hört. Da hineinzukommen ist, wie in einen Hexenkessel einzureiten. Wenn dann noch das Publikum applaudiert wegen Bekanntgabe der Wertnote der Reiters davor, dann brodelt es ganz schön. Isabell Werth z.B. pfaucht dann schon ab und zu und bittet um Ruhe vor ihrem Einreiten, wenn manche Zuschauer immer noch bei A auf der Tribüne herumtanzen. Wenn man bedenkt was es für den Reiter für ein Aufwand ist, sein Pferd punktgenau vorzubereiten, verstehe ich das auch gut. Erschwerend dazu kam heuer, dass aus mir unverständlichen Gründen (vieleicht um eben die Geräuschkulisse von den Tribünen her zu übertönen) Lautsprecher rund um das Viereck aufgestellt waren, bei jedem Buchstaben glaube ich, die auch noch mit einer Plastikplane überzogen waren, welche bei der Musik mitvibrierte. Besonders bei der Kür, wo die Musik lauter gestellt war, habe ich mich über die Gelasse´nheit der Pferde mehr als gewundert. Was ich aber mit all dem eigentlich sagen will ist, dass gerade in Aachen aus oben genannten Gründen sensible Pferde mehr gucken als anderswo und ruhige Charaktere von den daraus entstehenden Fehlern profitieren können. Warum Weltall oder Salinero herumzappelten, kann ich nicht sagen, wer die Noten gesehen hat, die währen der Ritte vergeben wurden, hat ja mitbekommen, dass es eben für das Gezappel Noten zwischen 1 und 3 gab und diese Pferde eben deswegen weit hinten gelandet sind.
Zu den Richtern ist mir folgendes aufgefallen: Peinlich finde ich es, wenn bei den Serienwechseln die Chefrichterin bei C einen Fehler nicht mitbekommt und eine 8 gibt, alle anderen eine 5 oder ein Richter nicht zählen kann und für 13 statt 15 WEchsel ebenfalls als einiziger eine hohe Note gibt. Aber das sind eben auch nur Menschen und allgemein waren die Noten recht einheitlich und überhaupt war es toll, dass man nach jeder Lektion alle Noten gesehen hat!