steckenpferd
Dienstag, 26. Mai 2009

Ludger Beerbaum schockt

Das Geständnis von Ludger Beerbaum über den Umgang mit Medikamenten hat den Deutschen Reitsport erschüttert. "Ich bin einigermaßen geschockt und entsetzt", sagte am Montag Breido Graf zu Rantzau, der Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Der Verbandschef kündigte eine Untersuchung an: "Es ist vollkommen klar, dass wir uns damit beschäftigen müssen." Beerbaum, der erfolgreichste Springreiter der vergangenen 20 Jahre, hatte gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" eingeräumt: "Im Laufe der Jahre habe ich mich darin eingerichtet, auszuschöpfen, was geht."

   Beerbaums Geständnis ist der vorläufige Höhepunkt der Enthüllungen seit den Vorfällen bei den Olympischen Spielen 2008 in Hongkong. Der Weltklasse-Reiter aus Riesenbeck bekannte: "In der Vergangenheit hatte ich die Haltung: Erlaubt ist, was nicht gefunden wird." Immerhin versprach er Läuterung: "Das ist heute nicht mehr aufrechtzuerhalten." Die Bekenntnisse sind vor allem deshalb brisant, weil die deutsche Springreiter-Mannschaft nach den Olympischen Spielen 2004 in Athen die Goldmedaille verloren hatte. Bei Beerbaums Pferd Goldfever waren Spuren von Betamethason gefunden worden, was zwar nicht als Doping, aber als verbotene Medikation eingestuft worden war.

Ludger Beerbaum schockt mit Aussagen. (c) Manfred Leitgeb

Zurückhaltend kommentierte Bundestrainer Otto Becker die Äußerungen seines ehemaligen Teamkollegen, durch den er 2004 Olympia-Gold verlor: "Athen ist abgehakt." Zu möglichen Auswirkungen bei der Nominierung der Nationalmannschaft sagte Becker: "Ich bin nicht Richter, sondern Bundestrainer. Ob es Strafen gibt und wenn wieviel, das müssen die Verbände entscheiden." Wie bei Ahlmann, der zwei Jahre vom Nationalteam ausgeschlossen ist, werde er sich an die Vorgaben der FN halten.

Der durch den Dopingfall von Christian Ahlmann in Hongkong und die umstrittene Behandlung von Marco Kutschers Olympia-Pferd Cornet Obolensky in die Enge getriebene Verband ist verzweifelt bemüht, den jetzt schon immensen Schaden zu begrenzen. Ein FN-Sprecher betonte am Montag: "Die Aussagen von Ludger Beerbaum stehen für seine Person, sie lassen sich nicht auf den gesamten Spitzensport übertragen." Er kündigte "intensive Gespräche mit Beerbaum" an.

   Es scheint auch ein Machtkampf zwischen dem einflussreichen Beerbaum und der Verbandszentrale in Warendorf zu sein. "Da wird ein bisschen gezündelt", sagte Beerbaum. Der Verband geht nun weiter auf Distanz zu seinem erfolgreichsten Reiter. Die FN, die zunächst bei Ahlmann Härte zeigte und dann bei der Aufarbeitung der Kutscher-Affäre ein schlechtes Bild abgab, steht enorm unter Druck - nicht zuletzt wegen der laufenden Verhandlungen über neue TV-Verträge.

   Dass es sich bei Beerbaum - wie die FN nun zu erklären versucht - tatsächlich um einen Einzelfall handelt, ist schon allein wegen der Vorkommnisse bei Ahlmann und Kutscher unwahrscheinlich. Zudem hatten bereits in den vergangenen Tagen diverse Aussagen darauf hingewiesen, dass das Problem viel größer als bisher angenommen ist.

   Reinhard Wendt, Delegationsleiter in Hongkong, glaubt inzwischen, "dass Manipulationen und Regelverstöße weiter verbreitet sind, als ich es vermutet habe". Er habe den "Eindruck, dass sich über die Jahre Handlungsweisen entwickelt haben, die einerseits bei einigen Reitern als normal empfunden werden, andererseits nicht mit dem Reglement übereinstimmen". Der langjährige Verbands-Chef Hanfried Haring befürchtet: "Wir haben es vielleicht doch mit einer Art Flächenbrand zu tun."

Quelle: DPA

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